Glossar der Gesundheitswissenschaften
Zentrale Fachbegriffe aus Neuropsychologie, Psychosomatik und Präventionsmedizin. Wissenschaftlich fundiert, verständlich erklärt.
A
Amygdala
griech. amygdale = Mandel
Mandelförmige Struktur im limbischen System des Gehirns. Zentrale Rolle bei der
Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Angst. Die Amygdala bewertet Sinneseindrücke
auf potenzielle Bedrohungen und kann Stressreaktionen auslösen, noch bevor die
bewusste Wahrnehmung einsetzt. Therapeutische Ansätze wie die hypnotherapeutische Angstbehandlung setzen gezielt an dieser Struktur an.
Autonomes Nervensystem
griech. autonomos = selbstständig
Teil des Nervensystems, der unwillkürliche Körperfunktionen reguliert: Herzschlag,
Verdauung, Atmung. Besteht aus Sympathikus (Aktivierung) und Parasympathikus (Erholung).
Bei chronischem Stress kann das Gleichgewicht dieser Systeme gestört sein.
C
Cortisol
lat. cortex = Rinde (der Nebenniere)
Steroidhormon, das in der Nebennierenrinde produziert wird. Primäres Stresshormon
des Menschen. Kurzfristig mobilisiert es Energiereserven; chronisch erhöhte Werte
werden mit Immunsuppression, Schlafstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen assoziiert.
D
Dissoziation
lat. dissociare = trennen
Psychischer Mechanismus, bei dem normalerweise integrierte Funktionen wie Bewusstsein,
Gedächtnis oder Identität vorübergehend getrennt werden. Kann als Schutzreaktion bei
überwältigenden Erfahrungen auftreten. In therapeutischen Kontexten wird kontrollierte
Dissoziation auch gezielt genutzt.
E
Evidenzbasiert
lat. evidentia = Augenscheinlichkeit
Ansatz, bei dem klinische Entscheidungen auf der besten verfügbaren wissenschaftlichen
Evidenz basieren. Kombiniert Forschungsergebnisse mit klinischer Expertise und
Patientenpräferenzen. Goldstandard in der modernen Medizin und Psychotherapie.
G
Gesundheitskompetenz
engl. health literacy
Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und
anzuwenden. Umfasst funktionale (Lesen/Verstehen), interaktive (Kommunikation)
und kritische (Bewertung) Kompetenzen. In der Schweiz weisen ca. 47% der Bevölkerung
problematische oder inadäquate Gesundheitskompetenz auf.
H
Hypnose
griech. hypnos = Schlaf
Zustand fokussierter Aufmerksamkeit bei gleichzeitig erhöhter Suggestibilität.
Neuroimaging zeigt charakteristische Veränderungen der Hirnaktivität. Klinisch
eingesetzt bei Schmerzbehandlung, Angststörungen und Verhaltensänderung. Der Begriff
ist irreführend, da hypnotische Zustände sich neurophysiologisch von Schlaf unterscheiden.
HPA-Achse
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
Neuroendokrines System, das die Stressreaktion reguliert. Bei Stresswahrnehmung
setzt der Hypothalamus CRH frei, die Hypophyse reagiert mit ACTH, die Nebenniere
produziert Cortisol. Chronische Aktivierung führt zu Dysregulation mit weitreichenden
gesundheitlichen Folgen.
K
Kognitive Umstrukturierung
Therapeutische Technik zur Identifikation und Veränderung dysfunktionaler Denkmuster.
Basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Ziel ist es, automatische negative
Gedanken zu erkennen und durch realitätsangemessenere Bewertungen zu ersetzen.
N
Neuroplastizität
griech. neuron = Nerv + plastikos = formbar
Fähigkeit des Gehirns, sich strukturell und funktionell zu verändern. Umfasst
synaptische Plastizität (Veränderung von Verbindungen), strukturelle Plastizität
(Neubildung von Neuronen) und funktionelle Reorganisation. Grundlage für Lernen,
Gedächtnis und therapeutische Veränderung.
P
Psychosomatik
griech. psyche = Seele + soma = Körper
Medizinische Disziplin, die Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen
Prozessen untersucht. Psychosomatische Beschwerden sind körperliche Symptome,
die wesentlich durch psychische Faktoren beeinflusst werden. Keine Einbildung,
sondern reale körperliche Manifestation seelischer Prozesse.
Prävention
lat. praevenire = zuvorkommen
Massnahmen zur Verhinderung von Krankheiten. Primärprävention verhindert das
Entstehen (z.B. Impfung), Sekundärprävention ermöglicht Früherkennung (z.B. Screening),
Tertiärprävention minimiert Folgeschäden bei bestehender Erkrankung.
R
Resilienz
lat. resilire = zurückspringen
Psychische Widerstandskraft gegenüber Belastungen. Nicht als statische Eigenschaft
zu verstehen, sondern als dynamischer Prozess, der durch Schutzfaktoren (soziale
Unterstützung, Selbstwirksamkeit, Emotionsregulation) gefördert werden kann.
Resilienz ist trainierbar.
S
Selbstwirksamkeit
engl. self-efficacy (Bandura, 1977)
Überzeugung einer Person, durch eigenes Handeln gewünschte Ergebnisse erzielen
zu können. Zentraler Prädiktor für Gesundheitsverhalten und Therapieerfolg.
Kann durch Erfolgserlebnisse, Vorbilder und verbale Ermutigung gestärkt werden.
Somatisierung
griech. soma = Körper
Ausdruck psychischer Belastung durch körperliche Symptome. Keine bewusste
Simulation, sondern unbewusster Prozess. Häufige Manifestationen: Schmerzen
ohne organische Ursache, funktionelle Störungen des Verdauungstrakts,
chronische Erschöpfung.
T
Trance
lat. transire = hinübergehen
Veränderter Bewusstseinszustand mit fokussierter Aufmerksamkeit und reduzierter
Aussenwahrnehmung. Tritt natürlich auf (z.B. bei Tagträumen, Flow-Zuständen)
und kann therapeutisch induziert werden. Gekennzeichnet durch erhöhte
Suggestibilität und veränderte Zeitwahrnehmung.